Gefängnisalltag

Die 10b im Gespräch mit dem Mannheimer Gefangnispfarrer Gerhard Ding




„Wenn draußen so schön die Sonne scheint wie heute, und alles aufblüht, dann ist das schlechtes Vollzugswetter", meint Pfarrer Ding, „dann ist es im Gefängnis schwer auszuhalten, denn jeder möchte raus..." Er weiß, wovon er spricht, denn er kommt zu uns ans LFG geradewegs aus der JVA Mannheim, in der er als evangelischer Gefängnispfarrer arbeitet. Heute steht er der Klasse 10b im Gemeinschafskundeunterricht Rede und Antwort zum Thema „Strafvollzug",.

Er kann viel erzählen aus dem Gefangnisalltag im „Cafe'Landes", von Begegnungen und Gesprächen mit den Menschen, die dort ihre oft langjährigen Haftstrafen absitzen müssen. Vieles berührt ihn, manches belastet ihn, so wenn ein Gefangener Selbstmordabsichten äußert und er wegen des Beichtgeheimnisses schweigen muss.

„Es sind keine wilden Bestien da drin, sondern Menschen", betont er, „manchmal werde ich gefragt, ob ich denn keine Angst hätte, nein, ich habe keine Angst." Aber ratlos sei er oft. „Was soll ich mit den Menschen machen, die zu mir kommen? Was kann ich ihnen sagen?" Da ist der Dealer, der als Suchtabhängiger ein hoffnungsloser Wiederholungstäter ist und kaum eine Zukunftsperspektive hat, da sitzt der Totschläger, der im Affekt gehandelt hat, einmal ausgerastet, er würde es nie wieder tun... Er kennt viele Geschichten vom Scheitern und Versagen von Menschen, die Schlimmes getan haben und dafür nun büßen müssen, Geschichten aus der Herzogenriedstraße 111, der „längsten Straße der Welt", weil manche ein Leben lang brauchen, um sie zu bewältigen. Er kennt auch Uwe В., der gerade wegen versuchter Nötigung einsitzt. Die Klasse 10b hat im Amtsgericht Mannheim seine Verhandlung beobachtet.


„Was kann er den Gefangenen anbieten? Er veranstaltet Gottesdienste und leitet Gesprächsgruppen, steht als Seelsorger für Einzelgespräche zur Verfugung. „Manchmal kann ich einfach nur sagen, ich bin jetzt für Dich da", meint er nachdenklich. Oder er geht mit einem Häftling in die Gefangniskappelle, um dort eine Kerze anzuzünden und für ein Anliegen zu beten.

In der ersten Stunde gibt es eine lebhafte Diskussion in der Klasse über den Sinn und Zweck von Gefängnisstrafen. Resozialisierung sei doch wohl das wichtigste, meinen viele, aber Dennis wirft ein: „Geben wir denn den Strafentlassenen eine echte Chance? Wer von uns würde denn einem ehemaligen Knacki einen Arbeitsplatz anbieten?" In der zweiten Stunde geht es um den Gefangnisalltag. Herr Ding zeigt Fotos und beantwortet viele Fragen." Wie sieht eine typische Haftzelle aus, warum gibt es dort nur kaltes Wasser? Wie kann es sein, dass Drogen ins Gefängnis geschmuggelt werden oder dass sich einer umbringt, wo doch alles bewacht ist? „ Pfarrer Ding schildert den typischen Ablauf eines Tages im Mannheimer Knast, in dem derzeit ca. 600 Strafgefangene im geschlossenen Vollzug sitzen, Menschen aus über 60 Nationen. Dass die Häftlinge im Gefängnis arbeiten müssen, ist für die meisten Schüler neu, dass der Tagesverdienst bei 7.50-12 Euro liegt und die Häftlinge nur 3/7 davon als freies Hausgeld zur Verfugung bekommen, ebenso. Dass Abendessen und Frühstück des nächsten Tages schon um 16 Uhr ausgeteilt werden, würde den wenigsten gefallen, morgens gibt es weder Kaffee noch Tee, dafür werden alle schon um 6 Uhr früh geweckt und müssen um 6.20 „abrücken" zur Arbeit. Die arbeiten können, haben es aber noch vergleichsweise gut, denn es gibt auch 20% Arbeitslose. Wer sich entscheidet, im Gefängnis noch einmal die Schulbank zu drücken, bekommt den gleichen Lohn, allerdings nur, wenn er erfolgreich mitarbeitet.








Viel zu schnell läuft die Zeit davon. „Es war total interessant", sagen die Schüler, „ wir haben viel erfahren", „Der Pfarrer nimmt ja gar kein Blatt vor den Mund", das finden sie gut. Sie spüren, dass sie hier als Gesprächspartner ernst genommen werden und ehrlich ihre Fragen stellen dürfen, so auch persönliche wie die nach seiner Motivation: „Warum machen Sie das?

Wie halten Sie das aus?" Fragen, die gar nicht so leicht und glatt zu beantworten sind. Die Arbeit im Gefängnis ist auch nach Jahren der Berufsroutine immer wieder eine große Herausforderung, aber Pfarrer Ding betont, dass er die Hoffnung nicht verloren habe, dass manches verkorkste Leben auch Heilung erfahren könne. Wichtig ist für ihn als Christ auch die Glaubensgewissheit, dass das Gefängnis kein gottloser Ort sei, auch nicht angesichts großer Schuldverstrickung und zerbrochener Lebensentwürfe.

So macht Pfarrer Ding seine Arbeit gern und ist sich sicher, dass sie einen Sinn hat. Es geht ihm immer um den Menschen hinter dem Täter, „denn jeder Mensch ist mehr und mehr wert als das, was er tut.", davon ist er fest überzeugt und so begegnet er den Strafgefangenen und arbeitet mit ihnen.




Hanna Schwichtenberg, Gemeinschaftskunde- und Ethiklehrerin der Kl. 10b