Ausflug ins Ballett

Vor längerer Zeit teilte uns Frau Laier mit, dass wir in das Nationaltheater gehen würden. Dort würden wir dem allmorgendlichen Balletttraining mit Kevin O’Day, dem Ballettdirektor und Chefchoreographen, beiwohnen. Die erste Reaktion der Jungen war ein lautes Stöhnen. Denn wer will schon Männer in Tütü-Röckchen sehen. Frau Laier meint, dass es nur auf das Tanzen ankäme und nicht auf das Aussehen und dass sie ihre Vorurteile lassen sollten. Sie würden sehen, dass Tanzen die reinste Knochenarbeit sei.

Am 22. Februar 2005 war es so weit, um 10:15 Uhr ging’s los. Wir rechneten mit zwei Stunden Unterrichtsausfall. Die Vorstellung begann um 11:00 Uhr. Wir waren ca. um 10:40 Uhr im Theater angekommen. Frau Laier sagte uns, dass wir im Gang warten sollten, denn sie würde die Karten an der Kasse bezahlen und abholen gehen und wir sollten uns gut benehmen. Tage zuvor haben wir über das Benehmen im Theater gesprochen. Frau Laier machte uns klar, dass das Theater nicht vergleichbar sei mit dem Wohnzimmer zu Hause, in dem man jederzeit etwas essen und trinken könne. Zwei Mitschülerinnen haben daraufhin ein Plakat gemacht mit Benimmregeln, das jetzt in unserem Klassenzimmer aushängt. Nach ca. zehn Minuten kam Frau Laier wieder, wir gaben unsere Jacken ab und gingen in den Vorstellungssaal. Wir setzen uns auf die reservierten Plätze. Die Vorstellung konnte beginnen!!!

Es waren vierzehn Tänzer und Tänzerinnen, die zuerst an Ballettstangen Übungen absolvierten. Kevin O`Day gab den Tänzern in Englisch und Französisch Anweisungen. Sie machten ein paar Bewegungen, dann brachten sie die Stangen hinter einen großen Spiegel auf der Bühne. Danach tanzten sie abwechselnd: Frauen, Männer, Frauen... und Kevin O`Day gab weiter Anweisungen und zeigte die Tanzschritte ganz genau. So steigerten sich die Tänzer von einfachen Bewegungen zu schweren Sprüngen. Das ging eine ganze Weile so, bis der Ballettdirektor anfing, uns über das Ballett etwas zu erzählen. Da sein Deutsch nicht ausreichend war, kam ein Dolmetscher auf die Bühne, der seinen amerikanischen Vortrag übersetzte. Wir erfuhren, dass sich die Tänzer eine ¾ Stunde vor Beginn der Vorstellung aufgewärmt haben und dass sie nicht immer zu Bach-Kompositionen tanzen, sondern zunächst die Choreografie zu ihren Lieblingsliedern erlernen und erst danach die klassische Musik unterlegt würde. Auch diese Methode wurde uns an einem Beispiel gezeigt. Wir sahen erst einen Ausschnitt aus den "Goldberg-Variationen" zu Bach-Musik und dann die gleiche Choreografie zu einer höchst modernen Musik.

Kurz darauf stellten sich die Tänzer vor. Unglaublich!

 

 

Bei den 14 Tänzern waren viele Nationen vertreten: Frankreich, Taiwan, Kanada, Belgien, USA. Dann erfuhren wir noch, wie Ballettschuhe für den Spitzentanz hergestellt werden. Dominique Dumais, die erste Choreografin der Ballettabteilung, erklärte es. Die Ballettschuhe werden aus Kartoffelsäcken gemacht! Immer eine Schicht Kartoffelsack, dann Kleber und dann wieder Kartoffelsack , Kleber usw. Danach werden die Ballettschuhe mit Seide überzogen und den Tänzern geliefert; die Schnüre nähen die Tänzer selbst an.


Jetzt wurde gezeigt, wie die Tänzer die Tänzerinnen auf den Zehenspitzen drehen. Kevin O`Day fragte, wer von den Jungen Lust hätte, die Tänzerin zu drehen. Renè, ein Klassenkamerad von uns, meldete sich und durfte eine Tänzerin drehen. Beim ersten Versuch ist sie umgekippt, dann hat es geklappt. Abschließend sahen wir noch Ausschnitte aus den Stücken "Goldberg-Variationen" und "Lebenslinien". In dem letztgenannten Stück ging es um einen Engel, der vielleicht böse, vielleicht aber auch gut ist! Wer weiß! Und um Träume!

Damit endete unser Ausflug ins Ballett auch schon!!!

Alle hätten gerne noch mehr gesehen und unsere Jungen, die noch immer nicht von Ballett überzeugt sind, mussten zugeben, dass das Tanzen wenig mit "Tütü" zu tun hat, sondern durchaus vergleichbar ist mit den Leistungen eines Profisportlers.

(Neslihan Karakas und Stefanie Baier 6a)

"Goldberg-Variationen" von Kevin O`Day

Es war längst nach Mitternacht, und der russische Gesandte Graf Keyserlingk wälzte sich wie schon so oft schlaflos auf seinem Krankenlager. Schließlich befahl er einem Diener: "Rufen Sie Goldberg!" Johann Goldberg, ein Musiker, wurde aus dem Bett geholt und zum Grafen geführt. "Ach, Goldberg, würden Sie bitte die Freundlichkeit haben, mir wieder eine ihrer Variationen vorzuspielen?" Goldberg ging ans Cembalo und spielte eine Komposition, die Johann Sebastian Bach eigens für Graf Keyserlingk geschrieben hatte, der Bach von seinen schrecklichen schlaflosen Nächten erzählt hatte. "Könnten Sie nicht irgendeine Musik komponieren, die mir Hilfe schafft?" fragte er. "Etwas Ruhiges, aber auch heiter, freundlich!" Bach erfüllte Keyserlingks Wunsch, und Goldberg spielte nun dieses besondere Musikstück für den Grafen, der sich alsbald erfrischt und weniger verkrampft fühlte. Er verlangte, dass ihm jedes Mal, wenn er nicht schlafen konnte, diese Variationen vorgespielt würden. Goldberg musste ein in der Nähe gelegenes Zimmer beziehen und sich bereithalten, auf Wunsch die heilsame Komposition zu spielen.
"Goldberg-Variationen" ist das erste Bach-Ballett, das Kevin O´Day choreographiert hatte, die oben beschriebene Geschichte diente als Ausgangspunkt für seine tänzerische Interpretation.