Johann Gottfried Tulla
Je langsamer man fährt, desto schneller ist man am Ziel. Diese Regel galt für alle Kaufleute, Fuhrunternehmer und Reisende noch im letzten
Jahrhundert. Wer sich nicht an sie hielt und meinte, seine Zugtiere zu großer Eile antreiben zu müssen, der konnte von Glück sprechen, wenn er
dabei nur ein Wagenrad und sich nicht gar den eigenen Hals brach. Die meiste Zeit des Jahres glichen die Straßen braunen Schlammwüsten, in
welche jedes Gefährt tiefe Furchen zog.
Schlimm war es auch um die Wasserwege bestellt. So schlängelte sich beispielsweise der Rhein
glucksend und gurgelnd durch die Lande, bog und krümmte sich, brach immer wieder Dämme und verursachte gewaltige Überschwemmungen,
welche die Uferbewohner in Atem hielten.
J. G. Tulla sah in der Behebung dieser Mißstände seine Lebensaufgabe.
Am 20. März 1770 wurde Tulla als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Karlsruhe geboren. Nach dem Besuch des Karlsruher Lyzeums wählte er
den Beruf des Landmessers. Schon bald wurde Markgraf Karl Friedrich auf den jungen Geometer aufmerksam und nahm sich seiner an. Als
Ingenieur im Range eines Rechnungsratsadjunkten trat Tulla 1797 in den badischen Staatsdienst ein. Parallel zu seinen Ambitionen auf
technischem Gebiet verlief Tullas Karriere als Offizier, da mit der Verbesserung von Lager-, Wege- und Brückenbau stets auch strategische
Überlegungen einhergingen. Ingenieurwesen und Militär waren somit eng gekoppelt. Als Hauptmann wurde Tulla anno 1804 zum Oberingenieur
befördert. 13 Jahre später avancierte er zum Oberst und Straßenbau- und Oberwasseringenieur.Zwar hatte Markgraf Karl Friedrich die Entlohnung Tullas zu Beginn seiner Karriere äußerst gering
ausfallen lassen; Studienreisen seines
Schützlings nach Holland, Norwegen und Paris hatte er gleichwohl unterstützt.
Von der polytechnischen Schule in Paris tief beeindruckt, machte
sich Tulla im Jahre 1807 daran, eine von der Universität abgesonderte Ingenieurschule in Karlsruhe zu gründen. Das Karlsruher
Polytechnikum, dessen wohl bekanntester Schüler Carl Benz war, sowie die
Technische Hochschule,
die Fridericiana, hatten hier ihre Wurzeln.
Zwei Jahre nach der Gründung dieser Institution legte Tulla den ersten Plan der Gesamtkorrektur des Rheines fest. Die Vorteile einer
Rheinbegradigung lagen auf der Hand-. Ländereien, die den Strom umgaben, konnten entsumpft und urbar gemacht werden; Schiffe mußten nicht
mehr von Pferden und Ochsen gezogen werden, die Entfernungen auf dem Wasserwege wurden kilometermäßig kürzer, und Boote konnten näher
am Ufer fahren.
Gleichwohl stieß Tullas Vorhaben bei großen Teilen vor allem der bäuerlichen Rheinbevölkerung auf massiven Widerstand, da
ohne das Abholzen des für einen Durchstich in Frage kommenden Geländes eine Verkürzung des Flusses unmöglich war. So mußte zum Beispiel
die Gemeinde Knielingen durch Waffengewalt dazu gezwungen werden, die dortige Schaffung eines Altrheinarmes hinzunehmen...
1827 überwachte Tulla noeh die ersten Grabungen für einen Rheindurchstich bei Mannheim, wodurch ein Teil Friesenheims zwischen dem neuen
Flußbett und dem Altrheinarm zur Insel wurde. Obwohl die Fertigstellung der Mannheimer Rheinregulierung erst mit dem Durchstich bei Altrip am 1. Mai
1862 erfolgte, lagen ihr die Entwürfe Tullas ebenso zugrunde wie den Verbesserungen der Straßenbautechnik im letzten Jahrhundert.
Tullas Wirken kann entgegengehalten werden, daß heutige Umweltprobleme wie die Absenkung des Grundwasserspiegels oder die
folgenschwere Veränderung von Flora und Fauna in ausgetrockneten Auegebieten mit dem zerstörerischen Eingriff des Menschen in
natürliche Prozesse zu tun haben. Auf der anderen Seite sollten wir nicht vergessen, daß Tullas Anstrengungen dem Wohle seiner
Mitmenschen sowie der Erhaltung und Kultivierung der Natur galten, die gleichfalls zerstörerisch wirken kann.
Tulla starb im Jahre 1828.
Er liegt auf dem Friedhof am Montmartre begraben.
Michael Trauth
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