Die Tulla'sche Rheinkorrektion

Vorgeschichte bis 1817

Dieses Kapitel soll dem Leser nur einen kurzen Einblick in die historischen Geschehnisse der Rheinkorrektion geben. Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf die geographischen Veränderungen und auf die damit verbundenen Untersuchungen eingegangen werden. Um tiefergreifende oder weiterreichende Informationen zu erhalten, bitte ich die entsprechende Fachliteratur zur Hand zu nehmen.

Die Rheinebene dient schon seit langer Zeit als Siedlungsgebiet, da sie fruchtbaren Boden besitzt und durch den Stromlauf einen bedeutenden Verkehrs- bzw. Handelsweg erhält.
Seit Jahrhunderten sucht sich der Strom von Zeit zu Zeit auch ein neues Bett. Die heutzutage noch vorhandenen oft meterhohen Niederterrassenränder sind das Zeugnis für ehemals an dieser Stelle verlaufene Gewässermassen. Dies brachte sehr häufig eine Überschwemmung ganzer Landstriche mit sich, fruchtbarer Boden wurde zum Teil zerstört, ganze Siedlungen wurden von den Wasserfluten bedroht und auch zerstört. Die Bewohner der Ortschaften versuchten sich gegen diese Gefahr zu schützen, durch unzureichende Baumaßnahmen gefährdeten sie zum Teil sich selbst, zum Teil auch die Bewohner des anderen Ufers, da die Flut von festen Dämmen abgelenkt, sich einen anderen Weg suchte.
Die Größe und das Ausmaß dieses Stromes kann man vielleicht erahnen, wenn man bedenkt, daß die Stadt Breisach im 10. Jahrhundert auf einer Rheininsel lag, im 13. Jahrhundert war sie linksrheinisch, bald darauf wieder von zwei Rheinarmen umflossen, bevor sie im 14. Jahrhundert endgültig auf dem rechtsrheinischen Ufer lag.
Viele Orte mußten nach ständiger Bedrohung oder totaler Zerstörung verlassen und an anderen sicheren Stellen wieder aufgebaut werden (z.B. Neuenburg, Rheinau). Die häufigen Überschwemmungen begünstigten eine zunehmende Versumpfung von manchen Gegenden, so daß sich Fieberkrankheiten (Malaria) rasch ausbreiten konnten.
Mit den einzelnen Maßnahmen, die immer nur an den Stellen vorgenommen wurden, an denen Gefahr drohte, konnte eine länger anhaltende Schutzeinrichtung nicht wirkungsvoll eingerichtet werden.

Die damaligen Gebietsverhältnisse waren für eine systematische und wirksame Baumaßnahme auch nicht gerade förderlich. Baden war am Ende des 18. Jahrhunderts noch kein einheitlicher Staat, sondern wurde von einer Anzahl Grafschaften und Hochstiften durchzogen.


Rheinverlauf 1817 und 1880


Die Korrektion zwischen 1817 und 1880

Erst nach der Bildung von zwei geschlossenen, großen StaatsgebiIden - Frankreich bekam 1801 die linken Rheingebiete zugesprochen, das Großherzogtum Baden entstand 1803 - 1806 infolge des Reichsdeputationshauptschlusses, des Preßburger Friedens und der Rheinbundakte, Bayern erhielt nach der Niederlage Napoleons I die Rheinpfalz zugesprochen - war die Möglichkeit entstanden, eine umfassende Korrektion durchzuführen.

Im Jahre 1797 war J.G. Tulla am Markgräflich badischen Ingenieurdeparternent zum Ingenieur ernannt worden. Er war mit der Leitung des Flußbauwesens in Baden beauftragt. Seine Vorstellung von einer Besserung der Zustände sah er in einer zusammenhängenden Rektifikation des Flusses. Er bewies an mehreren bereits vorhandenen Beispielen (Murgkanal 1780 und Neckardurchstiche 1790), daß bei einer Begradigung des Flusses und dem Abschneiden der Nebenarme sowie dem Bau richtiger Dammanlagen eine Vertiefung des Bettes und somit eine Verstärkung der Form eintritt, die die Übel der Überschwemmung und des Eisganges beseitigt.

Natürlich erhob sich gegen solch einen nahezu revolutionären Vorschlag heftiger Protest. Erst nach langandauernden und zähen Verhandlungen kam zwischen Baden und Bayern 1817 ein erstes Abkommen zustande, das eine Reihe von Rheindurchstichen zwischen Neuburg und Neupfotz regelte.

Tulla ließ 1822 und 1825 zwei Denkschriften veröffentlichen, in denen er die Notwendigkeit, die Durchführbarkeit und den Nutzen der Rektifikation ausführlich erläuterte.

1825 wurde mit Bayern ein zweites Übereinkommen über 16 weitere Durchstiche bis Frankenthal erzielt, die aber nur zum Teil realisiert oder in Angriff genommen werden konnten, da besonders die preußische und die hessische Regierungen noch immer starkes Mißtrauen vor der weiteren Flußlaufentwicklung hatten.

1828 starb Tulla nach schwerer Krankheit. Die bayerischen leitenden Ingenieure wollten das Unternehmen aber weiterführen und hielten an seinen Ideen fest.

Durch eine Übereinkunft mit Bayern im Jahre 1832 wurde schließlich die Fertigstellung der 1825 schon in Arbeit befindlichen Durchstiche erreicht.

Nach einer lang andauernden Klärung der Grenzverhältnisse kam schließlich 1840 der Rheingrenzvertrag zwischen Baden und Frankreich zustande.

Nach einem weiteren Abkommen zwischen Baden und Bayern im Jahr 1857 war die durch die Regulierung auszubildende, gesamte neue Stromstrecke von Basel bis Lampertheim überall gemeinsam festgelegt worden.

Mit dem Jahr 1876 (Talwegverlegung beim Isteiner Klotz) liegt nun der Talweg in der von Baden, Bayern und Frankreich vereinbarten Strombahn.

Jürgen Thiel, 1984



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